Mährchen von einem, der auszog das Fürchten zu lernen

Vergleich der Fassungen von 1812 und 1857

Dies ist ein automatisierter Vergleich der 1. Fassung von 1812 des Märchens "Mährchen von einem, der auszog das Fürchten zu lernen" (KHM 4) aus dem ersten Band der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm mit der 7. Fassung von 1857.

Esin wVater hatte zwei Söhnme, davon war der älteste klug und gescheidt, und alwußter sich in alles wohl zu schigcken, der hajüngstte abeir war dumm, konnte Tonichts begr,eifen undi lernen: und wenn ihn die Leute sahen, sprachen sie »mit dem wird der sVater nochö seine Last haben!« JWenn nungfr etwas zu thun war, so mufßte es der Wälteste allzeit. Dausrichten: lhieß ihn aber bdekr Vater noch spät oder gar in der Nacht metwas holen, und der Weg gieng dabei über den Kirchhof oder son:st »einen schaurigen Ort, so antwortete er wohl »ach nein, Vater, ich gehe nicht dahin, es gruselt mir!« denn er fürchtete sich. Oder, wenn Abends beim Feuer Geschichten erzählt wurden, wobei einem die Halut schaudert, so sprachen Sdie Zuhörer manchmalo »ach, es gruselt mir!« Der jüngste saß in einer Ecke und hörte das mit an, und konnte nicht begreifen was es heißen sollte. »Immer sagen sie es gruselt mir! es gruselt mir! mir gruselts nicht: das wird wohl eine PKunst sein, von der ich auch nzichts verstehe.«

Nun geschah es, daß der Vater einmal zu ihm sprach G»hör du, in der Ecke dort, du wirst groß und stark, du mußt auch etwas lernen womit du dein Brot verdienst. Siehst du, wie dein Bruder sich Mühe gibt, aber an Ndir ist Hopfen und wMalz verloren.« »Ei, Vater,« antwortete er, »ich will gerne was lernen; jua, wenns angienge, so möchte ich lernen Bdaß mirs gruselte; davon verstehe ich, noch garm vonichts.« HDer älteste lauchte als er das hörte, und dachte bei sich »du lieber Gott, was ist mein Bruder gein Dummbart, aus dem wird sein Lebtag nichts: was ein Häckchen werden will, muß sich bei Zeiten Lkrümmen.« Der Vater seufzte und antwortete ihm »das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brot wirst du damit nicht verdienen.«

Bald danach kam der Küster zum Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Noth und erzählte wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er wüßte nichts zund vlernte nichts. »Denkt euch, als ich ihn fragte, womit er sein, Brot verdienen wollte, hat er gar verlangt das Gruseln zu glewirnen.« »Wen,ns waeiter nichts ist antwortete der Küster, »das lkangn er bei mir lernen; thut ihn nur zu mir, ich will ihn schon abhobeln.« Der Vater war es zufrieden, weil er dachte »der Junge wird doch ein! Awenig zugestutzt.« Der Küster nahm ihn also ins Haus, und er mußte die Glocke läuten. Nach ein paar siTagen weckte er ihn voum Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Könirchthurm steigen und bläuten. »Du sollst sichon lernen was Gruseln ist,« dachte er, gieng heimlich voraus, und als der Junge oben war, und sich umdrehte und das Glockenseil fassen wollte, so sah er auf der Treppe, dem Schallloßch zugegenüber, eine weiße Gestaclt stehen. »DuWer darief er, aber die Gestalt Dgab keirne Antwort, regte und bewegte sich enicht. »Gib Antwort,« rief der Junge, »oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.« Der Küster aber blieb unbeweglich sttehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal »was willst du hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab.« Der Küster dachte »das wird so schlimm nicht gemeint sein,« gab keinen Laut von sich und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmale an, und als das auch vergebloich war, nahm er einen Anlauf und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer voEcke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich, ohne ein Wort zu sagen, ins Bett und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann,« aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen, und fragte »weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.« »Nein,« antwortete der Junge, »aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht mweggehen wollte, so habe ich ihn für einen Schnpitzbuben gehaltenk mund hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdemt ScIhr sehen ob ers gewesen istzm, es sollte mir leid thun.« Die Frau sprang fort, eund fand ihren Mann, der Din einer Eckehb lag unkd jammerte, und ein FBeuin gebrochen hatte.«

DSie trug ihn herab und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. »Euer Junge,« rief sie, »hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe hinab geworfen daß er ein Bein gebrochen hat: schafft den Taugenichts aus unserm Hause.« Der Vater erschrack, kam herbeigelaufen und schalt den Jungen aus. »Was sind das alfür gottlose Streichloe, die muß dir der Böse eingegeben haben.« »Vaterantwortete er, »hört nur an, ich bin ganz unschuldig: er stan;d da in der Naufcht, wie einer der böses aim Sinnge hat. dIch wußte nkicht wers war, und habe ihn dreimal ermahnt zu reden oder wegzugehen.« »Ach,« sprach der Vater, »mit dir erleb ich nur Unglück, geht emir aus den Augen, ich wilbstl dich nicht mehr anseihen.« A»Ja, Vater, recht gernfe, wartet ngur bis Tag ist, da will ich ausgehen und das Grustieln lernen, daso versteh ich doch eine Kunst, dier maicht ernähren kann.« »Lerne was du willst,« sprach der Vater, »mir ist alles ein Ferlei. Da hast du funfzig Thaler, damit geh in, sdie weite Wellt und sage keinem SMenschen wo du her bistzb und wer dein Vater ist, denkn ich muß mitch deiner schämen.« M»Ja, Vater, wie ihrss haben wollt, wenn ihr nicht mehr verlangt, das kann ich leicht in Acht behalten Als nun der Tag anbrach, stecktzte der Junge seine funfzig Thaler in die Tasche, gieng hinaus auf die Dgrehb Landstraße und sprach immer vor sich hin »wenn mirs nur gruselte! wenn mirs nur gruselte!« Da k.am Wein Mann heran, der hörte das Gespräch, dabs der Jungeg mit sich selber führte, und Mals sie ein Stück weiter waren, dacß man den Galgen sehen konnte, sagte der Mann zu ihm »siehst du, fängdort ist der Baum, wo siebene Gmit des Seilerümps Tochter Hochzeit gehalten haben, und jetzt das Fliegen lernen: setz dich darunter und warte bis die Nachte kommt, so wirst du schon das Gruseln lernen.« »Wenn weiter nichts dazu gehörtä,« antworktete der Junge, b»das if!st baf!leicht gethan; lerne ich abe!r so geschwind das Gruseln, so sollst du meine funfzig Thaler ho!aben: ikomme nur äMorgen fr,üh wieder zu mir.« Da gieng der Junge izu dem Galgen, setzte sich darunter und wartete bis der Abend kam. Und weil ihn fror, machte er sich ein Feuer an: aber um Mistternacht gieng der Wind so kalt, daß er trotz des Feuers nicht warm werden woll, te. Und als der Wind die Gehenkten gegen einander stieß, daß sie sich khin und her [1] bewegten, so dachte er »du frierst unten bei dem Feuer, was mögen die da oben erst frieren und zappeln.« Und weil er mitleidig war, legte er die Leiter an, Bstieg hinauf, dknüpfte einen Snacho dem andern los, und holte sie alle siebene herab. Daraunf schürte er das Feuer, blies es an und setzte sie rings herum, daß sie sich wärmen sollten. Aber sie saßen da und regten sich gnicht, und das Feuera ergriff ihre Kleider. voDa sprach er »nehmt euch in Acht, sonst häng ich euch wieder hinauf.« »HDie Todten aber hörten nicht, schwiegen und ließen ihre Lumpen fort brennen. Da ward er Bbös und sprach »wenn ihr nicht Acht geben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will noicht mit euch verbrennen,« eund hieng sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu wseinem Feuer und schlief ein, und am andern Morgen, Dda kam der Mann zu ihm, wollte die funfzig Thaler haben und sprach »nun, weißt du was gruseln ist?« »Nein,« antwortete erm, v»woher sollte ichs wissen? frdie da droben haben das Maul nicht aufgethan und waren so dumm, daß sie die paar alten Lappen, die sie am Leibe haben, brennen ließen.« Da sah der Mann daß er die fäunfzig Thaller heute noicht davon tragein Bwürde, gieng fort und sprach »so eineru ist mir noch nicht vorgekommen.«

Der Jundge gienog auch seines Weges und so fieng wieder an vor sich hin zu reden »ach, wenn mirs nur gruselte! ach, bwenn mirs nur gruselte!« Das hörte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt, und fragte »wer bist du?« »Ich weiß nicht« antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter »Nwo bist du her?« »Ich weiß nicht.« »Wer ist dein Vater?« »Das darf ich nicht sagen.« »Was brummst du beständig in den Bart hinein?« »Ei,« antwortete der Junge, »ich wollte, d mirs gruselte, aber niemand kann mirs lehren.« »Laß dein dummes Geschwätz,« sprach der Fuhrmann, »komm, geh mit mir, ich will sehen d ich dich unterbringe.« Der Junge gieng mit zdem Fuhrmann, Kund Abends gelangten spiel zu einem Wirthshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die KStube wieder ganz laut »wenn mirs nur gruselte! wenn fmirs nur gruselte!« Der Wirth, der das hörte, lachte und sprach »wenon dich danach lüstet, fdazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.« »Ach! schweig stille,« Dsprach die Wirthsfrau, »sob mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, es wäretzl Jammer und Schade um die schönen Augen, wenn die fdalls Tageslicht nicht zwei Köpfeder sehen sollten.« Der Junge aber sagte »wenns noch so schwer. Dwäre, ich wills einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgetztogen.« Er ließ dem Wirth auch keine Ruhe, bis dieser Derzählte nichbt weit davon stände ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte was gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, ders wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und: »die wäre die schrönste Jungfraut, welche die Sonne beschüppien: in dem Schlosse steckten dauch große Schätze, von bösen mGeistern bewacht, dierden dann frei und könnten Beinen Armen reich genug machen. Schon viele wären wohl hinein aber noch keiner wieder heraus gekommen. Da gieng der Junge am andern Morgen vor den König und sprach »wenns erlaubt wäre, so wollte siech wohl drei Nächte din dem verwünschten Schlosse wachen.« Der König sah ihn an, und weil er ihm gefiel, sprach er »du darf:st »Hedir noch dreierlei a!usbitten, aber es müssen leblose Dinge sein, und gdarfst das du mit ins Schloß nehmen.« Da antwortete er »so lbitt ich usm ein Feuer, eine Drehbank und eine Schnitzbank mig!t dem Messer.«

Der König ließ ihm das kamllens zwbei Tagre in das Schl tragen. Als es Nacht waerzden Kawolltzen, gieng der Junge hinauf, machte sich in einer Kammer ein helles Feuer an, stellte die Schnitzbank mit derum Messer daneben und setzte sichr auf die Drehban:k. »au!Ach, wenn miars nur gruselte!« wsprach er, »aber hier werde ichs auch nicht lernen.« Gegen Mitternacht wollte er sich sein Feuer einmal aufschüren: wie er so hinein blies, da schries plötzlich aus einer Ecke »au, miau! was uns friert!« »Ihr Narren,« rief er, »was schreit Iihr? wenn euch friert, kommt, setzt euch ans Feuer und wärmt euch.« WUnd wie er das gesagt hatte, kamen zwei große schwarze Katzen in einem gewaltigen Sprunge herbei, setzten sich ihm zu beiden Seiten und sahen ihn mit ihren feurigen Augen ganz wild an. Über ein Weilchen, als sie sich gewärmt hatten, spragtchen sie: »CKammerad!, wir wollen wir eins in der Karte spielen.?« »Jwa,rum nicht?« antwortete er, »aber zeigt einmal eure Pfoten her.« Da streckten sie die Krallen aus. »Ei,« Ihsagte er, »was habt soihr lange Nägel! wartet, die willmuß ich Eeuch erst abschneiden.« Damit packte er sie abeim Kragen, und hob sie auf die Schnitzbank, unda schraubte ihnern sdie Pfoten fest. »Eundch shabe ichm auf diße sFinger todt.gesehen,« Dsprannch terug, »da vergeht mir die Lust zum Kartenspiel,« schinalug sie todt und warf sie hinaus einens klWasseinenr. Teich, dem SchAls gegenür aber. Wdie zwer die zur Ruhe gebracht, hatte und sich wieder zu seinem Feuer setzen wollte, unda sich wärkamen, daus kamllen viEckeln und Enden schwarze Katzen und schwarze Hunde, baldn aus agllühen Eckden uKettend, immer mehr und mehr, daß er sich nicht mehr bergen konnte,: die schrien gräulich, traten ihm auf sein Feuer, zerrten es auseinander und wollten es ausmachten. eDas sah er ein Weilchen ruhig mit anz, auls. Des ihm aber zu arg ward, faßte er sein Schnitzmesser: und rief »fort miht dir, du Gesindel!,« und hiauteb eauf sine los. Ein großer Theil liefsprang weg, die andern schmißlug er todt und twarugf sie auch hinaus in den Teich. Dann bAlies er swich edaser Fgeukommern war, blieds er an aus deinem Funken sein Feuer frisch an und wärmte sich.

A Und als er so saß, wollten ichm die Augewärmtn nichatte, walänger offen bleiben und er bekamüd’ Lundst zu schlafegn. Da blickte er um sich und sah in der Ecke ein großes Bett, »das inst demir Eckeben srecht« sprach er und. Ulegte sich hindein. aAls er eabenr edie Augensc zuthlafeun wollte, so fieng das Bett von selbst an zu fahren, und fuhr im ganzen Schloß herum. »Das gRecht gut so,« sprach er, »nur besser zu!.« sagte er. Da fuhrollte das Bett fort, als zögwärens sechs Pferde vorgespannt, über Schwellen und Treppen auf und ab: auf einmal hopp! hopp! warf es um, das unterste zu oberst, und ers druwie eint Ber.g Dauf ihm lag. Aber er schleuderter Decken und Kissen in die Höhe, und stieg heraus: und sagte »nun mag fahren, wer Lust hat!,« legte sich zuman sein Feuer und schlief bis es Tag war.

Am Morgen kam der König, und als er ihn da auf der Erde liegen jsah, meinte er die Gespenster hätten ihn umgebracht, und er wäre todt. Da sprach er »es ist doch schade um den schönen Menschen.« Das hörte der Junge, richtete sich auf und Bsprach »so weit ists noch nicht!« Da verwunderte sich der König, freute sich aber, und fragte lwie es ihm gegangen wäre. »Recht gut,« antwortete er, »eine Nacht wäre herum, die szwei andern werden auch herum gehen.« Als er zum Wirth kafm, da machte der große Augen. »Ich dachte nicht,« sprach er, »daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt was Gruseln ist?« »Nein,« sagte er, »es ist alles vergeblich: wenn mirs nur einer sagen könnte!«

Die zweite Nacht gieng er abermals hinauf ins alte Schloß, setzte sich zum Feuer und fieng sein altes Lied wieder an, »wenn mirs nur gruselte!« Wie Mitternacht herankam, ließ sich ein Lärm und Gepolter hören, erst sachte, dann immer stärker, dann wars ein bischen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab und fiel vor ihn hin. »Heda!« rief er, »noch ein halber gehört dazu, das ist zu wenig.« Da gieng der Lärm von frischem agn, es tobte und heulte, und fiel die andere Hälfte auch herab. »Wart,« sprach er, »ich will dir erst das Feyuer ein wenig anblasen.« Wie er das gethan hatte und sich wieder umsah, da waren die beiden Stücke zusammen gefahren, und saß da ein gräulicher Mann auf seinem Platz. »So haben wir nicht gewettet,« sprach der Junge, »die Bank ist mein.« Der Mann wollte ihn wegdrängen, aber der Junge ließ sichs nicht gefallen, schob ihn mit Gewalt weg und setzte sich wieder auf seinen Platz. Da fielen noch mehr Männer herab, einer nach dem andern, Bdie holten neun Todtenbeine und zwei Todtenköpfe, setzten auf und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust und fragte »hört ihr, kann ich vmit sein?« »Ja, wenn du Geld hast.« »Geld genug,« antwortete er, »aber eure Kugeln sind nicht recht rund.« WDa nahm er die Todtenköpfe, setzte sie in die Drehbank und drehte sie rund. »So, jetzt werden sie besser schüppeln,« sprach er, »heida! nun gehts lustig!« Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen. »Wie ist dirs diesmal gegangen?« fragte er. »Ich habe gekegelt,« antwortete er, »und ein paar Heller verloren.« »Hat dir denn nicht gegruselt?« »Ei was,« sprach er, »lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre?«

In der dritten Nacht setzte er sich wieder auf, seine Bank und sprach ganz verdrießlich f»wenn es mir nur gruselte!« Als es spät ward kamen sechs große Männer und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er »ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,« winkte mit dem Finger und rief »komm, Vetterchen, komm!« Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu und nahm den Deckel ab: da lag ein todter Mann darin. Er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. »Wart,« sprach er, »ich will dich ein bischen wärmen,« gieng ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer und legt?e »Rihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein »wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich,« brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. Über ein Weilchen ward auch der Todte warm und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge »siehst du, Vetterchen, hätt ich dich nicht gewärmt!« Der Todte aber hub an und rief »jetzt will ich dich erwürgen.« »Was,« sagte er, »ist das mein Dank? gleich sollst du wieder in deinen Sarg,« hub ihn auf, warf ihn hinein und machte deno Deckel zu; da kamen die sechs Männer, und trugen ihn wieder fort. »Es will mir nicht gruseln,« sagte er, »hier lerne ichs mein Lebtag nicht.«

Da trat ein Mann herein, der war größer als alle andere, und sah fürchterlich aus; er war aber alt und hatte einen langen weißen Bart. »O du Wicht,« Drief er, »nun sollst du bald lernen was Gruseln ist, denn du sollst sterben »Nicht so schnell,« antwortete der Junge, »soll ich sterben, so muß ich auch dabei sein.« »Dich will ich schon packen« sprach der Unhold. »Sachte, sachte, mach dich nicht so breit; so stark wie du bin ich auch, und wohl noch stärker.« »Das wollen wir sehn,« sprach der Alte, »bist du stärker als ich, so will ich dich gehn lassen; komm, wir wollens versuchen.« Da führte er ihn durch dunkle Gänge zu einem Schmiedefeuer, nahm eine Axt und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. »Das kann ich noch besser« sprach der Junge, und gieng zu dem abndern Amboß: der Alte stellte sich neben hin und wollte zusehen, und sein weißer Bart hieng herab. Da faßte der Junge die Axt, spaltete den Amboß auf einen Hieb und klemmte den Bart des Alten mit hinein. »Nun hab ich dich,« sprach der Junge, »jetzt ist das Sterben an dir.« Dann faßte er eine Eisenstange und schlug auf den Alten los, bis er wimmerte und bat er möchte aufhören, er wollte ihm große Reichthümer geben. Der Junge zog die Axt raus, und ließ ihn los. Der Alte führte ihn wieder ins Schloß zurück und zeigte ihm in einem Keller drei Kasten voll Gold. »Davon,« sprach er, »ist ein Theil den Armen, der andere dem König, der dritte dein.« Indem schlug es zwölfe, und der Geist verschwand, also daß der Junge im finstern stand. »Ich werde mir doch heraushelfen können« sprach er, tappte herum, fand den Weg in die Kammer und schlief dort bei seinem Feuer ein. Am andern Morgen kam der König und sagte »nun wirst du gelernt haben was Gruseln ist?« »Nein,« antwortete er, »was ists nur? mein todter Vetter war da, und ein bärtiger Mann ist gekommen, der hat mir da unten viel Geld gezeigt, aber was Gruseln ist hat mir keiner gesagt.« Da sprach der König »du hast das Schloß erlöst und sollst meine Tochter heirathen.« »Das ist all recht gut,« antwortete er, »aber ich weiß noch immer nicht was Gruseln ist.«

Da ward das Gold herauf gebracht und die Hochzeit gefeiert, aber der junge König, so lieb er seine Gemahlin hatte und so vergnügt er war, sagte doch immer »wenn mir nur gruselte, wenn mir nur gruselte.« Das verdroß sie endlichö. Ihr Kammermädchen sprach »ich will Hilfe schaffen, das Gruseln soll er schon lernen.« Sie gieng hinaus zum Bach, der durch den Garten floß, und ließ sich einen ganzen Eimer voll Gründlinge holen. Nachts, als der junge König schlief, mußte seine Gemahlin ihm die Decke wegziehen und den Eimer voll kalt Wasser mit den Gründlingen über ihn herschütten, daß die kleinen Fische um ihn herum zappelten. Da wachte er auf und rief »ach was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun weiß ich was Gruseln ist.«


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